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Wie ich rechtgeleitet wurde, seite 8
Der Beginn des Wandels
Monate lang war ich so verwirrt und aufgewühlt, dass meine Gedanken mich sogar im Schlaf beschäftigten, da ich wegen manchen Sahabis besorgt war, deren Geschichten ich untersuchte und dabei auf erstaunliche Verhaltensweisen gestoßen war. Denn meine Erziehung hatte mich gelehrt, die Freunde Gottes und Rechtschaffenen Seiner Diener zu respektieren und zu verehren, da sie jeden bestrafen können, der schlecht über sie redet oder denkt, sei es in ihrer Abwesenheit oder nach ihrem Tode.
Bereits früher hatte ich in Hayat al-Hayawan al-Kubra von al-Damiri gelesen, dass ein Mann Omar Ibn al-Khattab schmähte, woraufhin seine Gefährten aus der Karawane ihm dies untersagten. Als er losging, um Wasser zu lassen, wurde er von einer schwarzen Schlange gebissen und starb sofort. Nachdem man für ihn ein Grab ausgehoben hatte, fand man darin eine schwarze Schlange. Dann hoben sie weitere Gräber aus, jedes Mal jedoch entdeckten sie darin eine schwarze Schlange. Schließlich sagte ein weiser Gelehrter zu ihnen: "Begrabt ihn wo immer ihr wollt! Selbst wenn ihr die ganze Welt umgrubt, fändet ihr immer eine schwarze Schlange vor, weil Gott ihn noch im Diesseits vor dem Jenseits dafür bestrafen will, dass er Omar beleidigt hat." (Hayat al-Hayawan al-Kubra, al-Damiri, an der Stelle, wo er von der schwarzen Schlange erzählt)
Deswegen fühlte ich mich unbehaglich, als ich mich dazu drängte, diese erschwerliche Suche anzutreten. Immerhin hatte ich in der al-Zaytuna-Universität gelernt, dass der beste aller Kalifen Abu Bakr al-Siddiq war, nach ihm Omar Ibn al-Khattab al-Faruq, durch welchen Gott das Rechte vom Unrechten trennt, nach ihm Osman Ibn Affan Zu al-Nurayn, vor dem sich die Engel des Barmherzigen genierten, und nach ihm Ali, das Tor zur Stadt des Wissens. Nach ihnen kamen die sechs Übrigen von den Zehn, denen das Paradies verheißen worden war: Talha, Zubayr, Sa‘d, Sa‘id, Abdurrahman und Abu Ubayda, danach alle anderen Sahaba. Oftmals hatte man uns beigebracht, als Beweismittel den Vers: "Wir unterscheiden nicht zwischen Seinen Gesandten" heranzuziehen, um zu rechtfertigen, dass man alle Gefährten auf dieselbe Stufe stellen sollte, ohne einen von ihnen herabzusetzen.
Ich bangte um meiner selbst und bat den Herrn mehrere Male um Vergebung, damit Er mich entlasse von den Ermittlungen in diesen Angelegenheiten, die in mir Zweifel an den Gefährten des Gesandten Allahs (s.) weckten und schließlich an meiner Religion. Doch im Gespräch mit einigen Gelehrten während dieser Zeit stieß ich auf Widersprüche, die kein Verstand akzeptieren kann. Umgehend begannen sie, mich davor zu warnen, die Nachforschungen über die Gefährten fortzusetzen, da andernfalls Allah Seinen Segen von mir nähme und mich zerstöre. Aber aufgrund ihrer Sturheit und ihres Leugnens von allem, was ich sagte, veranlassten mich meine Neugier und das Verlangen nach der Wahrheit, mich erneut auf die Suche zu machen, und eine innere Kraft gab mir dazu Ansporn.
Gespräch mit einem Gelehrten
Ich sagte zu einem unserer Gelehrten: “Sie urteilen, Muawiya habe Ijtihad betrieben, als er unschuldige Menschen tötete und entehrte; jedoch habe er die falsche Entscheidung gefällt, weshalb ihm “nur” eine Belohnung gebühre. Sie urteilen ebenso, Yazid habe Ijtihad betrieben, als er die Nachkommen des Propheten (s.) ermordete und Medina durch seine Armee schänden ließ; jedoch habe er sich geirrt, weshalb auch ihm “nur” eine Belohnung gebühre. Einige von Ihnen pflegen sogar zu sagen: ‚Hussein wurde durch das Schwert seines Großvaters getötet‘, um Yazids Taten zu rechtfertigen. Warum soll dann nicht auch ich Ijtihad betreiben und mich mit der Suche beschäftigen, denn das ist es, was mich an den Sahaba zweifeln lässt und mich dazu veranlasst, manche von ihnen zu kritisieren. Dies ist nicht zu vergleichen mit den Morden, die Muawiya und sein Sohn Yazid an der reinen Nachkommenschaft des Gesandten (s.) begingen. Wenn ich dabei erfolgreich bin, erhalte ich zwei Belohnungen von Gott, im Falle meines Versagens wäre es zumindest eine. Wobei meine Kritik an einigen Gefährten nicht ihre Schmähung oder Verfluchung zum Ziel hat sondern das Erkennen der Wahrheit, um die errettete Glaubensgemeinschaft von den verirrten Glaubensgemeinschaften unterscheiden zu können. Dies ist meine Pflicht und die eines jeden Muslims. Allah, Der Gepriesene, kennt alle Geheimnisse und das, was wir in unseren Herzen verbergen.”
Der Gelehrte antwortete mir: "Mein Sohn, die Tür zum Ijtihad ist vor langer Zeit verschlossen worden." Ich fragte: "Und wer hat sie verschlossen?" Er sagte: "Die vier Imame." (Die Gründer der vier sunnitischen Rechtsschulen: Abu Hanifa, Malik, al-Shafii und Ahmad Ibn Hanbal)
Ich sagte verwundert: “Na Gott sei Dank! Wenn es weder Gott war, Der diese Tür verschlossen hat, noch der Gesandte Allahs (s.) noch die rechtgeleiteten Kalifen, deren Befolgung uns aufgetragen worden ist, sehe ich für mich kein Hindernis darin, ebenfalls Ijtihad zu praktizieren wie sie es taten." Er erwiderte: “Du kannst keinen Ijtihad praktizieren, ohne in siebzehn Wissenschaften belesen zu sein, die da wären: Qur'an-Auslegung, Sprache, Grammatik, Flexion, Rhetorik, Ahadith, Geschichte usw."
Ich fiel ihm ins Wort: “Ich werde den Ijtihad nicht betreiben, um den Menschen die Gesetze des Qur'ans und der Sunna zu erörtern oder eine eigene islamische Rechtsschule zu gründen sondern um herauszufinden, wer im Recht und wer im Unrecht ist und ob Imam Ali (a.) das Recht vertrat oder zum Beispiel Muawiya. Dies erfordert keine großen Kenntnisse in siebzehn Wissensgebieten. Es genügt, die Biographien und Taten der beiden zu studieren, damit die Wahrheit ans Licht kommt." Er fragte mich: "Was kümmert es dich, dies zu wissen. Jene Gemeinschaft gehört der Vergangenheit an; ihr gehört, was sie geerntet hat, und euch gehört, was ihr geerntet habt, und ihr werdet nicht danach gefragt, was sie begangen hatten." (Sure al-Baqara (2), Vers 134)
Ich sagte: "Steht im Vers ‚ihr fragt nicht‘ oder ‚ihr werdet nicht gefragt?‘" Er antwortete: "Es heißt: ‚Ihr werdet nicht gefragt‘. Ich sagte: “Allah sei Dank! Wenn es geheißen hätte ‚ihr fragt nicht‘, hätte ich auf die Suche verzichtet. Da es aber ‚ihr werdet nicht gefragt‘ heißt, bedeutet es, dass Allah uns nicht dafür belangen wird, was sie begangen hatten, denn Er spricht auch: Jede Seele ist für das verantwortlich, was sie erntet, (Sure (74), Vers 38) und: Der Mensch erlangt nur das, was er bestrebt. (Sure (53), Vers 39) Der Heilige Qur'an fordert uns auf, die Geschichten der vergangenen Völker zu studieren, um daraus unsere Lehren zu ziehen, und Gott erzählt uns darin vom Pharao, von Hemon, Nimrod und Qarun und von den früheren Propheten und ihren Völkern, keinesfalls zum Zeitvertreib sondern zur Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht.
Was Ihre Frage betrifft, was es mich kümmere – es kümmert mich sehr wohl: Erstens, weil ich wissen möchte, wer Allahs Freund ist, damit ich sein Freund sei, und wer Sein Feind ist, damit ich sein Feind sei, denn das ist es, was der Qur'an von mir verlangt. Zweitens, weil ich wissen möchte, wie ich Gott in den Pflichtteilen der rituellen Gebete zu dienen und mich Ihm anzunähern habe, wie Er es will, nicht wie Malik oder Abu Hanifa oder andere es wollen. Ich habe nämlich herausgefunden, dass zum Beispiel Malik von der Ablehnung der Basmala (Die Formel Bismillahi-r-Rahmani-r-Rahim (Im Namen Gottes, Des Allbarmherzigen und Gnädigen)) im rituellen Gebet spricht, während Abu Hanifa ihre Erfordernis für richtig hält. Andere halten das Gebet ohne die Basmala für ungültig. Allenfalls stellt das rituelle Gebet den Glaubenspfeiler dar, und wenn es gültig ist, ist alles andere auch gültig, wenn es ungültig ist, ist alles andere auch ungültig. Ich möchte jedoch nicht, dass mein Gebet ungültig wird.
Die Schi'iten befeuchten ihre Füße bei der rituellen Gebetswaschung lediglich, während die Sunniten das Waschen der Füße vertreten, obgleich wir im Qur'an lesen: Und streicht über eure Köpfe und eure Füße, (Sure al-Ma‘ida (5), Vers 6) was eindeutig das Befeuchten erfordert.
Wie können Sie erwarten, dass ein intelligenter Muslim ohne Untersuchung und ohne Beweise diese Meinung akzeptiert und die andere ablehnt?" Er sagte: "Es ist dir gestattet, von jeder Rechtsschule anzunehmen, was dir gefällt, da es sich bei allen um islamische Rechtsschulen handelt, die von Allahs Gesandtem (s.) kommen.”
Ich erwiderte ihm: "Ich befürchte, einer von jenen zu sein, über die Er gesagt hat: Hast du denjenigen gesehen, der sich seine Begierden zur Gottheit nahm, wofür Allah ihn wissentlich in die Irre gehen ließ und sein Gehör und sein Herz versiegelte und über seine Augen einen Schleier legte. Wer wird ihn rechtleiten, nachdem Allah ihn verließ? Erinnert ihr euch denn nicht? (Sure al-Jathiya (45), Vers 23)
Mein Herr, ich bin nicht der Ansicht, dass alle Rechtsschulen im Recht sind, solange eine von ihnen eine Sache erlaubt, und eine andere sie verbietet, obwohl es nicht sein kann, dass eine Sache zur selben Zeit erlaubt und verboten ist, zumal der Gesandte (s.) in seinen Geboten keine Diskussion einging, da es sich bei ihnen um qur'anische Offenbarungen handelt. Und wenn es von jemand anderem als Allah stammen würde, hätten sie darin viele Unstimmigkeiten gefunden (Sure al-Nisa‘ (4), Vers 82). Aufgrund dessen, dass die vier Rechtsschulen sich in vielerlei Hinsicht widersprechen, können sie nicht von Gott sein und auch nicht von Seinem Gesandten, da er dem Qur'an nie widersprochen hätte."
Als der gelehrte Scheich feststellte, dass meine Aussagen logisch und meine Argumente akzeptabel waren, sagte er: "Ich rate dir bei Gottes Antlitz, so sehr du auch zweifeln magst, zweifle niemals an den rechtgeleiteten Kalifen, da sie die Stützpfeiler des Islam sind, bei deren Zusammenbruch das gesamte Gebäude einstürzen würde!" Ich sagte: "Um Gottes Willen, mein Herr! Was ist mit Allahs Gesandtem (s.), wenn jene die Stützpfeiler des Islam sind?" Er antwortete: “Allahs Gesandter ist das Gebäude. Er ist der ganze Islam.”
Ich lächelte, als ich diese Analyse hörte, und sagte: "Nochmals um Gottes Willen, Herr Scheich! Sie behaupten, ohne es zu wissen, Allahs Gesandter (s.) hätte nichts erreichen können, wenn diese vier Personen nicht gewesen wären, während Allah, Der Erhabene, spricht: Er ist es, Der Seinen Gesandten mit der Rechtleitung und wahren Religion schickte, um alle Religionen durch sie zu ersetzen; und Allah genügt als Zeuge (Sure al-Fat’h (48), Vers 28) . Er sandte Muhammad (s.) mit der Botschaft und beteiligte keinen von diesen vieren und niemanden sonst daran, und sprach in dieser Hinsicht: Wie Wir zu euch einen Gesandten schickten, der euch Unsere Worte vorliest, euch läutert und euch das Buch und die Weisheit lehrt und euch lehrt, was ihr nicht wusstet." (Sure al-Baqara (2), Vers 151)
Der Gelehrte sagte: "So haben wir es von unseren Scheichs beigebracht bekommen. Aber in unserer Generation pflegten wir nicht, mit unseren Ulema in Streitgesprächen zu diskutieren, doch in eurer neuen Generation zweifelt man an allem und stiftet zum Zweifel am Glauben an, was man zu den Vorzeichen des Jüngsten Tages zählen kann, und der Gesandte Gottes (s.) hatte ja gesagt: "Die Stunde wird kommen, wenn die Menschheit durch und durch bösartig geworden ist."
Ich sagte: "Mein Herr, wozu diese Übertreibung? Gott behüte, dass ich am Glauben zweifele oder zum Zweifel daran auffordere. Ich glaube an Gott, Den Einen ohne Teilhaber, und an Seine Engel und Seine Bücher und Seine Gesandten. Ich glaube, dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist und der vortrefflichste aller Propheten und Gesandten, das Siegel der Propheten. Ich bin Muslim – wie können Sie mich derartig beschuldigen?
Er sagte: "Ich beschuldige dich mit mehr als das, weil du zum Zweifel an Abu Bakr und Omar aufforderst, obgleich der Prophet (s.) gesagt hatte: ‚Wenn die Glaubensstärke meiner Gemeinde gewogen würde, wäre Abu Bakrs Glaube schwerer.‘ Über Omar hatte er gesagt: ‚Mir wurde im Traum meine Gemeinde vorgeführt, und jeder von ihnen trug ein Hemd, das nur bis zur Brust reichte. Dann wurde mir Omar vorgeführt, und er musste sein Hemd hochziehen.‘ Man sagte zu ihm: ‚Was schließt du daraus, o Gesandter Allahs?‘ Er sagte: ‚Den Glauben.‘ Und heute, im vierzehnten Jahrhundert danach, kommst du und erhebst Zweifel an der Tadellosigkeit der Sahaba, insbesondere an Abu Bakr und Omar. Weißt du denn nicht, dass die Iraker allesamt Abtrünnige, Ungläubige und Heuchler sind?!"
Was sollte ich diesem Mann, der behauptete, ein Gelehrter zu sein, antworten, da ihn nun seine Arroganz zur Sünde verleitete und er eine anfänglich vernünftige Diskussion in ein mit Beschimpfungen und Gerüchten verdorbenes Geschwätz verwandelte, ausgerechnet vor einer Gruppe seiner Bewunderer, deren Erregung und Zorn ich in ihren Augen bemerkte?
Mir blieb nichts anderes als zum Haus zu eilen und ihnen das Buch al-Mawatta‘ von Malik und Sahih al-Bukhari zu bringen. Dann sagte ich: “Mein Herr, derjenige, der mich an Abu Bakr zu zweifeln veranlasste, war kein geringerer als Allahs Gesandter selbst.” Dann öffnete ich das Buch al-Mawatta‘, worin von Malik überliefert wird, dass Allahs Gesandter (s.) über die Märtyrer von Uhud sagte: “Für jene werde ich Zeugnis ablegen.” Daraufhin sagte Abu Bakr: “O Allahs Gesandter, sind wir nicht ihre Geschwister? Sind wir nicht Muslime geworden wie sie? Haben wir nicht gekämpft wie sie kämpften?” Allahs Gesandter (s.) erwiderte: “Ja, aber ich weiß nicht, was ihr nach mir anstellen werdet.” Sodann weinte Abu Bakr bitterlich und sagte: “Wir werden nach dir noch da sein.” (Al-Mawatta‘ von Imam Malik, B. 1, S. 307; al-Maghazi von al-Waqidi, S. 310)
Danach schlug ich Sahih al-Bukhari auf, wo Omar Ibn al-Khattab das Haus von Hafsa betrat, während Asma‘ Bint Umays anwesend war, und sagte, als er sie erblickte: “Wer ist das?” Sie sagte: “Asma‘ Bint Umays.” Omar sagte: “Die Abessinierin ist das? Die aus Übersee?" Sie sagte: "Ja." Er sagte: "Unsere Auswanderung (von Mekka nach Medina) fand vor eurer statt, somit haben wir einen größeren Anspruch auf Allahs Gesandten.” Da wurde sie sehr zornig und sagte: “Bei Gott, nein! Ihr wart bei Allahs Gesandtem, der den Hungrigen unter euch zu Essen gab und die Unwissenden unter euch belehrte, während wir um Allahs und Seines Gesandten Willen in weiter Ferne in Abessinien waren! Bei Gott, ich werde nicht essen und nichts trinken, bis ich Allahs Gesandtem (s.) davon berichtet habe! Wir litten und waren verängstigt, und ich werde dem Propheten davon erzählen und ihn danach fragen! Bei Gott, ich werde nicht lügen, nicht abweichen und nicht übertreiben!” Als der Prophet (s.) eintraf, sagte sie: O Allahs Prophet, Omar hat dies und jenes gesagt." Er (s.) sagte: "Und was hast du ihm geantwortet?" Sie sagte: "Ich antwortete ihm so und so.” Er sagte: “Er besitzt keinen größeren Anspruch auf mich als ihr. Er und seine Gefährten wanderten einmal aus, wohingegen ihr mit dem Schiff zwei Mal auswandertet.” Sie sagte: “Abu Mussa und die Leute des Schiffes kamen zu mir und fragten mich nach diesem Hadith. Nichts auf der Welt hätte sie glücklicher gemacht als das, was der Prophet (s.) über sie gesagt hatte." (Sahih al-Bukhari, B. 3, S. 387, Kap. "Die Schlacht von Khaybar")
Nachdem der Scheich und die Anwesenden die Überlieferungen durchgelesen hatten, änderten sich ihre Gesichter. Sie schauten sich gegenseitig an und warteten auf die Antwort des schockierten Gelehrten. Alles, was er jedoch tat, war, vor Verwunderung seine Augenbrauen zu heben und zu sagen: "Mein Gott, schenke mir mehr Wissen!"
Ich sagte: “Wenn Allahs Gesandter (s.) der erste war, der an Abu Bakr zweifelte und kein Zeugnis für ihn ablegte, weil er nicht wusste, was er nach ihm anstellen würde, und wenn Allahs Gesandter (s.) nicht Omar Ibn al-Khattab über Asma‘ Bint Umays stellte sondern sie über ihn, dann habe ich das Recht, zu zweifeln und niemanden zu bevorzugen, bis ich die Wahrheit herausgefunden habe. Es ist bekannt, dass diese beiden Überlieferungen allen anderen Überlieferungen über Abu Bakrs und Omars Tugenden widersprechen und widerlegen, weil sie realistischer und vernünftiger sind als die Ahadith über die angeblichen Tugenden."
Da fragten die Anwesenden: "Wie kann das sein? Ich sagte: “Der Gesandte Gottes (s.) legte kein Zeugnis zugunsten Abu Bakrs ab sondern sagte zu ihm, er wisse nicht, was sie nach ihm anstellen würden. Das war vernünftig, denn der Heilige Qur'an erfordert dies, und die Geschichte belegt, dass sie nach seinem (s.) Tode viele Dinge veränderten. Darum weinte Abu Bakr, weil er Dinge veränderte und Fatima al-Zahra‘, die Tochter des Gesandter, erzürnte – wie bereits erwähnt -, was er kurz vor seinem Tode bereute und sich wünschte, kein Mensch zu sein. Was den Hadith betrifft: ‚Wenn die Glaubensstärke meiner Gemeinde gewogen würde, wäre Abu Bakrs Glaube schwerer‘ – er ist unlogisch und inakzeptabel. Es kann nämlich unmöglich sein, dass ein Mann, der vierzig Jahre seines Lebens damit verbracht hatte, Götzen anzubeten, einen stärkeren Glauben besitzt als Muhammads gesamte islamische Gemeinde, in welcher es gottesfürchtige und rechtschaffene Menschen gibt, Märtyrer und Imame, die ihr ganzes Leben allein Gott widmeten. Wie kann diese Aussage auf Abu Bakr zutreffen? Wenn es so wäre, hätte er sich nicht am Ende seiner Tage gewünscht, kein Mensch zu sein. Wenn sein Glaube stärker als der Glaube der gesamten Gemeinde gewesen wäre, wäre Fatima, die Tochter des Gesandten, niemals zornig auf ihn gewesen und hätte ihn nicht in jedem Gebet, das sie verrichtete, verwünscht.”
Der Gelehrte blieb stumm, aber einige der Anwesenden sagten: "Dieser Hadith hat uns nun wirklich skeptisch gemacht." Da meldete sich der Gelehrte, um mir mitzuteilen: "Ist es das, was du erreichen wolltest? Jetzt zweifeln sie wegen dir an ihrer Religion!" Doch einer von ihnen mischte sich ein und sprach: "Aber nein! Er hat Recht! Noch nie im Leben haben wir ein einziges Buch durchgelesen. Statt dessen folgten wir euch in blindem Vertrauen und richteten uns ohne Hinterfragung nach euch. Nun haben wir erkannt, dass das, was der Hadsch sagt, richtig ist, und dass es unsere Pflicht ist, zu lesen und nachzuforschen!"
Einige der Anwesenden teilten seine Meinung, was den Sieg des Rechts und der Wahrheit bedeutete. Es war kein Sieg durch Gewaltanwendung und Zwang sondern ein Sieg des Verstandes, der Argumente und Beweise. Sprich: Legt eure Beweise vor, wenn ihr aufrichtig seid. (Sure al-Baqara (2), Vers 111) Dies ermutigte mich, die Nachforschungen erneut anzutreten, und öffnete mir die Tür dazu. Also trat ich herein im Namen Gottes und mit Gott und für die Gemeinde des Gesandten Gottes, wünschte mir vom Gepriesenen und Erhabenen Erfolg und Rechtleitung, weil Er es ist, Der versprochen hat, jeden Suchenden nach der Wahrheit rechtzuleiten, und Seine Versprechen nicht bricht. So ging die Suche mit höchster Sorgfalt drei Jahre lang weiter, weil ich zuweilen manche Bücher mehrmals von der ersten bis zur letzten Seite las.
Ich las al-Muraja‘at von Imam Sharafuddin, worin ich unzählige Male nachschlug. Es öffnete mir Horizonte, was schließlich zu meiner Rechtleitung führte und mein Herz mit Liebe und Zuneigung zur Ahl-ul-Bayt erfüllt. Ich las das Buch al-Ghadir von Scheich al-Amini insgesamt drei Mal, da es präzise und deutliche Fakten enthält. Ich las auch Fadak fi al-Tarikh von Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr und al-Saqifa von Scheich Muhammad Rida al-Muzaffar und erhielt in ihnen beiden die Lösungen für mysteriöse Rätsel, die sich mir gestellt hatten. So las ich dann auch das Buch al-Nass wal-Ijtihad und wurde immer überzeugter. Ich las die Bücher Abu Hurayra von Sharafuddin und Sheykh al-Mudira von Scheich Mahmud Abu Rayya al-Misri und begriff, dass die Sahaba, die nach dem Tode des Propheten (s.) Veränderungen vornahmen, in zwei Kategorien aufgeteilt werden können: Jene, die die Gesetze mit ihrer Macht und exekutiver Gewalt abänderten, und jene, die sie mit Hilfe von erfundenen, falschen Ahadith des Propheten abänderten.
Ebenso las ich al-Imam al-Sadiq wal-Mazahib al-Arba‘a von Asad Haidar und begriff den Unterschied zwischen verliehenem und erlangtem Wissen. Ich verstand den Unterschied zwischen der göttlichen Weisheit, die Er verleiht, wem Er will, dem Schmarotzen von Wissen und dem Ijtihad mit der eigenen Meinung, der die islamische Gemeinschaft vom Geiste des Islam entfernte.
Zahlreiche andere Bücher las ich noch, zum Beispiel von Sayyid Dscha‘far Murtada al-Amili, Sayyid Murtada al-Askari, Sayyid al-Khu‘i, Sayyid al-Tabataba‘i, Scheich Muhammad Amin Zeinuddin, al-Fayruz Abadi, Ibn Abil Hadid al-Mu‘tazili mit seinem Kommentar zu Nahj al-Balagha und al-Fitna al-Kubra von Taha Hussein. An historischen Büchern las ich Tarikh al-Tabari, Tarikh Ibn al-Athir, Tarikh al-Mas‘udi und Tarikh al-Ya‘qubi. Ich las eine Menge, bis ich davon überzeugt war, dass die Imamiyya-Schi'iten auf der Seite der Wahrheit stehen, und mich ihnen anschloss, indem ich mit Allahs Segen die Arche der Ahl-ul-Bayt bestieg und mich am Bund ihrer Liebe festklammerte. Gott sei Dank fand ich einen Ersatz für einige Gefährten, über die ich herausgefunden hatte, dass sie auf ihren Fersen Kehrt gemacht hatten, und von denen nur wenige Errettung fanden. Also ersetzte ich sie durch die Imame der Ahl-ul-Bayt, der Nachkommenschaft des Propheten, die Gott von jeglicher Unreinheit geläutert und gereinigt hat und allen Menschen auferlegte, sie zu lieben und zu verehren.
Die Schi'iten bestehen nicht, wie manche "Gelehrte" behaupten, ausschließlich aus Persern und Feueranbetern, die von Omar im Qadisiyya-Krieg besiegt worden waren, weshalb sie ihn nun angeblich hassten. Jenen Unwissenden gab ich zur Antwort, dass die Schi'a nicht nur bei den Persern existiert sondern auch im Irak, im Hedschaz, in Syrien und im Libanon befolgt wird, wo bekanntlich Araber leben. Es gibt Schi'iten in Pakistan, Indien, Afrika, Amerika, und all jene sind weder Araber noch Perser.
Wenn wir uns nur auf die Schi'iten im Iran beschränkten, läge der Gegenbeweis klar auf der Hand, da ich weiß, dass die Perser an zwölf Imame glauben, welche allesamt Araber vom Stamme Quraisch und der Sippe des Propheten, Banu Haschim, sind. Wären die Perser Fanatiker gewesen und würden die Araber hassen, hätten sie sich Salman al-Farisi zum Imam genommen, weil er zu ihnen gehört und ein angesehener Gefährte des Propheten (s.) war, dessen Stellenwert bei Schi'iten und Sunniten gleichermaßen bekannt ist.
Wohingegen die Ahl al-Sunna wa al-Jama‘a sich beim Imamat auf Perser beschränkten, da die meisten ihrer Imame Perser waren wie zum Beispiel Abu Hanifa, al-Nesa‘i, al-Tirmizi, al-Bukhari, Muslim, Ibn Maja, al-Razi, al-Ghazzali, Ibn Sina, al-Farabi und viele andere. Wenn die Ablehnung der persischen Schi'iten gegen Omar Ibn al-Khattab entstanden wäre, weil er im Krieg ihren Stolz gebrochen hatte, wie deuten wir dann die Ablehnung der arabischen und nicht-persischen Schi'iten gegen ihn? Dies ist ein Vorwurf, der jeglicher Grundlage entbehrt. Der wahre Grund für ihre Abneigung zu Omar ist seine Rolle, die er beim Ausschluss von Ali Ibn Abi Talib vom Kalifat nach Allahs Gesandtem spielte, da dies der Grund für viele Unruhen und Unheil und des Zerfalls der islamischen Gemeinde war.
Die Wahrheit ist, dass die Schi'iten – Perser, Araber oder andere – die Gebote des Qur'ans und die Sunna des Propheten einhalten und dem Imam der Rechtleitung und seinen Nachkommen, den Erhellern der Finsternis, folgen und sich nicht mit anderen zufriedengeben trotz der politischen Hetze, die von den Omayyaden und ihren abbassidischen Nachfolgern drei Jahrzehnte lang angetrieben wurde, während derer sie die Schia in jedem Winkel und Versteck aufzuspüren versuchten, um sie zu töten, zu vertreiben und ihrer Rechte zu berauben. Sie vernichteten ihre Hinterlassenschaften und brachten Gerüchte und Vorwürfe gegen sie in Umlauf, damit die Leute sich von ihnen fernhalten. Dies ist bis zum heutigen Tage auch so geblieben.
Doch die Schi'iten blieben standhaft und duldsam, sie hielten um Gottes Willen an der Wahrheit fest, wofür sie bis heute einen hohen Preis zahlen. Ich fordere deshalb jeden unserer Gelehrten auf, sich einmal zusammen mit ihren Gelehrten zur Diskussion hinzusetzen – er würde dabei garantiert mit der Rechtleitung erfüllt werden, die sie vertreten.
Ja, ich habe – Gott sei Dank – einen Ersatz gefunden, und wenn Gott mich nicht rechtgeleitet hätte, wäre ich niemals rechtgeleitet worden. Lob und Dank sei Gott dafür, dass Er mir die errettete Gemeinde gezeigt hat, die ich sehnsüchtig gesucht hatte. Bei mir blieb kein Zweifel, dass jemand, der sich zu Ali und der Ahl-ul-Bayt bekennt, am sicheren Bund festhält, der nie entzweit. Die prophetischen Aussprüche dazu sind sehr zahlreich, und alle Muslime erkennen ihre Richtigkeit an. Der Verstand allein ist der beste Beweis für jemanden, der bereit ist, zuzuhören. Denn Ali (a.) war unter den Sahaba anerkanntermaßen der Weiseste und der absolut Tapferste, und dies allein ist schon völlig ausreichend als Beleg für seinen individuellen Anspruch auf das Kalifat.
Allah, Der Erhabene, spricht: Und ihr Prophet sagte zu ihnen: "Wahrlich, Gott sandte als König euch den Saul." Sie sagten: "Wie kann er die Königsherrschaft über uns haben, obwohl wir der Königsherrschaft würdiger sind als er und er keine Reichtümer erlangt hat?" Er sagte: "Gott hat ihn vor euch auserwählt und ihm ein Übermaß an Wissen und Leibeskraft verliehen. Gott verleiht Seine Herrschaft, wem Er will. Gott ist Allumfassend und Allwissend." (Sure al-Baqara (2), Vers 247) Und Allahs Gesandter (s.) sprach: “Ali ist von mir, und ich bin von ihm, und er ist der Gebieter jedes Gläubigen nach mir." (Sahih al-Tirmizi, B. 5, S. 296; al-Khasa‘is von al-Nesa‘i, S. 87; al-Mustadrak von al-Hakim, B. 3, S. 110)
Imam al-Zamakhshari sagt in einem Gedicht:
Kathura-sh-shakku wal-ikhtilafu
wa kullun yadda‘i annahu-s-siratu-s-sawiy
Fa-tamassaktu bi-la ilaha ill-Allahu
wa hubbi li-Ahmadin wa Aliy
Faza kalbun bi-hubbi as‘habi kahfin
kayfa ashqa bi-hubbi ali-n-Nabiy
Die Zweifel und Gegensätze hatten sich vermehrt,
und jeder behauptete, auf dem rechten Pfad zu sein;
Doch ich hielt fest an Gottes Einheit und an der Liebe zu Ahmad und Ali;
Ein Hund siegte durch Liebe zu Bewohnern einer Grotte, in der Liebe zu des Propheten Familie irre ich mich nie.
Ja, ich habe einen Ersatz gefunden, Gott sei gedankt! Nun richte ich mich – neben Allahs Gesandtem (s.) – nach dem Fürsten der Gläubigen und Gottes siegreichem Löwen, Imam Ali Ibn Abi Talib, und nach den beiden Herren der jugendlichen Paradiesbewohner, den beiden Blumen des Propheten aus dieser Gemeinde, Imam Hassan und Imam Hussein, und nach dem Ursprung der prophetischen Nachkommenschaft, der Mutter der Imame, bei deren Zorn der Allmächtige Gott in Zorn ausbricht, der Herrin aller Frauen, Fatima al-Zahra.
Also ersetzte ich Imam Malik durch den Lehrmeister der Imame und den Lehrer der Gemeinde, Imam Ja‘far al-Sadiq und hielt fest an den neun unfehlbaren Imamen aus Husseins Nachkommenschaft, den Imamen der Muslime und der aufrichtigen Freunde Gottes. Ich ersetzte die Gefährten, die abtrünnig geworden waren – wie Muawiya, Amr Ibn al-As, al-Mughira Ibn Shu‘ba, Abu Hurayra, Ikrima, Ka‘b al-Ahbar und andere -, durch dankbare Gefährten, die ihren, dem Propheten geleisteten Eid, nicht brachen, wie Ammar Ibn Yasir, Salman al-Farisi, Abu Zarr al-Ghifari, al-Miqdad Ibn Aswad, Khuzayma Ibn Thabit Zul-Shahadatayn, Ubay Ibn Ka‘b und andere, und ich lobe Gott für diese große Erkenntnis.
Ich ersetzte die Gelehrten meines Volkes, die unsere Köpfe eingefroren hatten und zu allen Zeiten von den Machthabern und Regenten abhängig gewesen sind, durch die unschuldigen Gelehrten der Schia, die niemals die Tür zum Ijtihad verschlossen hatten und nie von den tyrannischen Machthabern abhängig gewesen waren.
Jawohl, ich ersetzte eine versteinerte, fanatische Denkweise, die an Widersprüche glaubte, durch eine erleuchtete, freie und offene Denkweise, die an Beweise, Argumente und Belege glaubt. Heutzutage würde man sagen: Ich habe mein Gehirn von dreißig Jahre altem, omayyadischem Schmutz reingewaschen und säuberte es für den Rest meines Lebens mit den Glaubensinhalten der Unfehlbaren, von denen Allah jegliche Unreinheit ferngehalten und sie gründlich gereinigt hat. Gott, lass uns unter ihrem Volk leben und mit ihrer Tradition sterben, erwecke uns an ihrer Seite wieder zum Leben, denn Dein Prophet (s.) hatte einst gesagt: "Der Mensch wird mit denjenigen wiedererweckt, die er liebt."
Auf diesem Wege bin ich zu meinem Ursprung zurückgekehrt, zumal mein Vater und seine Brüder uns stets von unserer Herkunft zu erzählen pflegten, die bis zu den Nachkommen des Propheten zurückreicht, welche damals wegen der Repressionen der Abbasiden aus dem Irak fliehen mussten und in Nordafrika Zuflucht fanden, wo sie sich in Tunesien niederließen und ihre Spuren hinterließen, die bis heute vorhanden sind. In Nordafrika gibt es viele wie uns, die sich “al-Ashraf”, die Edlen, nennen, weil sie der reinen Familie entstammen. Aber sie fielen auf die Irrwege der Omayyaden und Abbasiden herein, wodurch sie nichts von der Wahrheit behalten haben außer den Respekt und das Ansehen, das sie bei den Leuten genießen. Gelobt sei Allah für Seine Rechtleitung! Gelobt sei Allah für meine Erkenntnis, für das Öffnen meiner Augen und für mein Erkennen der Wahrheit!
Quelle: http://www.islam