4- Vorbemerkung
Vorbemerkung
Der Alevismus-Bektaschismus (anatolische Alevismus) gründet sich auf Menschenliebe, Friedensliebe, Toleranz und Freundschaft.
In einer Zeit, in der wir besonders der Menschenliebe und der Toleranz bedürfen, ist es nötig, den Menschen mit dem Menschen und auch den Menschen mit der Natur auszusöhnen. Es ist nötig, statt Hass Liebe, statt Feindschaft Freundschaft, statt Krieg Frieden zu verwirklichen und diesen Werten der menschlichen Kultur Achtung zu verschaffen: sie zu schützen, lebendig zu erhalten und den kommenden Generationen weiterzugeben, soll uns Pflicht sein.
Von diesen Gedanken ausgehend, empfand ich die Notwendigkeit, den Anatolischen Alevismus zu untersuchen, der den Menschen und der Menschheit große Dienste erwiesen hat und Werte besitzen, die, wie ich glaube, es wert sind, weitergegeben zu werden.
Dank schulde ich vor allem Herrn Prof. Dr. Peter Kühne. Soziologe und Leiter der Sozialakademie Dortmund: er hat mir die Möglichkeit gegeben, dieser Untersuchung durchzuführen. Außerdem möchte ich mich für Anregungen und Verbesserungsvorschläge bei Herrn Rudiger Benninghaus (Köln) bedanken.
Seit Jahrhunderten wird der Alevismus unterdrückt und verleumdet. Dabei würden auch immer wieder seine schriftlichen Quellen vernichtet, was heute eine wissenschaftliche Untersuchung erschwert.
Nach wie vor wird die existent von mehreren Millionen Aleviten in der Türkei nicht gleichberechtigt mit dem Islam anerkannt. Der Alevismus wird weder gefördert, noch wird ihm, anders als dem sunnitischen Islam, überhaupt eine Möglichkeit der öffentlichen Selbstdarstellung gegeben, obwohl dieser eine Bereicherung für die Türkei wäre.
Von Beginn der Arbeit an hatte ich den Gedanken, die Untersuchung in Form eines Buches herauszubringen und habe dabei ohne Bedenken auch kleine Details und aktuelle Ereignisse einbezogen. Als erstes Ergebnis meiner Untersuchungen ist zunächst, und zwar 1993, eine türkische Publikation in Istanbul erschienen. Das Vorliegende Buch geht darüber hinaus; in einigen Teilen wurde es gekürzt und verbessert, in anderen Teilen erweitert.
Ich bin an das Thema nicht als jemand von außen herangegangen, sondern als jemand, der selbst Alevit ist und die Volkspraxis kennt. Auch habe ich mich bemüht, die mystischen Lieder der Volkssänger (Aşık), die Gebetshymnen und Bräuche der Dedes bei den Cem-Feierlichkeiten einzubeziehen und auch die Herkunft der Gebete aufzuzeigen.
Wenn wir den Alevismus-Bektaschismus, seinen Glauben, seine Lebensphilosophie und seine Kultur mit einem Ozean vergleichen, so können wir mit diesem Werk nur einen Tropfen aus diesem Ozean schöpfen. Der Weg, den ich für diese Untersuchung eingeschlagen habe, kommt auch in den folgenden Zeilen von Hacı Bektaş Veli überzeugend zum Ausdruck:
„Schätzt keinen Menschen und kein Volk gering!“
(Hiç bir insanı ve milleti ayıplamayınız!)
„Glücklich, wer die Gedankenfinsternis erhellt.“
(Düşünce karanlığına ışık tutanlara ne mutlu!)
„Seien wie eins, seien wir groß, seien wir tatkräftig!“
(Bir olalım, iri olalım, diri olalım!)
Mein Ziel war es, diese Gedanken zu vergegenwärtigen und damit einem kleinen Schritt auf dem Wege der Menschlichkeit voranzugehen.
Köln, 2. Juli 1994
Ali Duran Gülçiçek
Buch: Der Weg Der Aleviten
Autor: Ali Duran Gülçiçek
Abgeschrieben: Seyyid Hakkı